Samstag, 6.4.2024, Windhoek

Jetzt bin ich also wieder in Windhuk. Die Stadt ist noch relativ neu, sie wurde 1840 erstmalig erwähnt und 1890 gegründet. 

Der Name kommt aus dem Afrikaans und leitet sich von „windige Ecke“ ab. Die Stadt liegt in einem Becken auf einer Höhe von ungefähr 1600 m. Die Ränder gehen bis 1800 m hoch. 


Die Gegend hier wurde bereits seit mehreren 1000 Jahren von den San bewohnt. 1878 haben die Engländer die Walfischbucht annektiert und 1884 wurde deutsch Südwestafrika als deutsches Schutzgebiet ausgerufen. 


Diese wenig glorreiche Periode endete während des ersten Weltkrieges 1915, als südafrikanische Truppen die Stadt einnahmen und besetzten. Die Südafrikaner haben dann hier auch die Apartheid eingeführt die einheimische Bevölkerung schwer drangsaliert. 


Die schwarzen wurden aus dem zentralen Stadtteilen vertrieben und in Außenbezirke umquartiert. Dabei gab es schwere Auseinandersetzungen mit Verletzten und Toten. So hat zum Beispiel das südafrikanische Rote Kreuz schwarzen Verwundeten keine Blutspenden gegeben. 


Die Schwarzen wurden vertrieben und in einem Vorort angesiedelt. Diese Vorort trug und trägt den Namen Katutura, was übersetzt, so viel heißt wie „der Ort, an dem man nicht lebt“. 


In Katutura leben circa 65.000 Einwohner auf einer Fläche von 5 km². Man hatte damals große Mengen von Einheitshäusern mit einer Wohnfläche von 45 m² gebaut, die es auch heute noch gibt. 

So weit zu meiner Umgebung!

 




Gestern Abend war ich in Andy‘s Pub essen. Der ist nicht weit von meiner Unterkunft entfernt und ich konnte da zu Fuß hingehen. Natürlich ist Andy eigentlich Andreas und natürlich ist hier alles ziemlich Deutsch (Biergarten). Ich hatte ein Oryx-Steak. Der Oryx ist für mich eines der schönsten Tiere hier, ich habe ihn oft gesehen. Aber er ist auch sehr lecker. 




Ich hätte auch gerne Mopani, Pepsta oder Kapana probiert, aber das sind traditionelle Speisen, die es wohl nur in Katutura gibt. 


Katutura aber ist ein Township, aus dem wohl noch kein Tourist lebend wieder herausgekommen ist. Ich habe das auch mal im Forum hinterfragt, aber die sehen das genau so. 


Meine Planung für morgen ist mit Riesenschritten den Bach untergegangen. Das Nationalmuseum hat generell für einen längeren Zeitraum geschlossen, das Transportmuseum sowie das Unabhängigkeitsmuseum haben generell am Wochenende nicht auf.

Die Museumsbesuch hier stehen nicht unter einem guten Stern.


Also Katutura!


Ich mache das allerdings nicht alleine, sondern habe einen Guide gebucht. 




In dem Facebook Forum für Namibia hatte ich nach Katutura gefragt und man hat mir empfohlen, Monika mal anzusprechen. Und das war ein Treffer. Ich hatte mich noch gestern Abend mit ihr verabredet für heute früh 10:00 Uhr. 


Ich stand um kurz vor 10 vor dem Tor und traute meinen Ohren nicht. Und meinen Augen noch weniger. Mit viel Hupen und Tschingdarassassa kamen erst zwei Polizeiwagen und dahinter dann 5-6 geschmückte LKWs mit Karnevalsgesellschaften. Sie hatten die typischen Kostüme an, wie sie auf Sitzungen getragen werden und winkten und schrien. Es ist völlig skurril, so etwas über 10.000 km von zu Hause zu sehen.

 




Um kurz nach zehn war Monica hier und ich bekam einen Schreck: in dem Wagen saßen außer ihr noch zwei junge Männer. Sie stellte sie mir als Cousins vor, die auf uns aufpassen sollten. Ich hatte einen schalen Geschmack im Mund, aber ich dachte okay, versuchen wir’s.


Monika sprach sehr gut Deutsch und erzählte mir ihre Geschichte. 


Als sie drei Jahre alt waren gab es hier große Unruhen mit vielen Verletzten und Toten. Das ging dann soweit, dass es auch Frauen und Kinder betraf. Daraufhin hat die Swapo, die hiesige Regierung, die Regierung der befreundeten DDR gefragt, ob sie namibische Kinder aufnehmen und beschützen könnten. 


So kam Monika mit 3 in einen Ort in der Nähe von Magdeburg. Dort blieb sie bis sie zwölf war und hatte sich natürlich zu einer deutschen entwickelt. Dann aber hieß es, dass Namibia kein Krisenland mehr sei und sie wurde zurückgeschickt. 


Für sie war das damals eine ziemliche Katastrophe und sie hatte große Schwierigkeiten, sich wieder in die namibische Lebensart und Kultur einzugewöhnen. Heute arbeitet sie nach dem Studium des Journalismus bei einer Regierungsorganisation und hat (ungewollt) eine Tochter.


Als sie als kleines Kind in Deutschland war, wurde sie nicht mit Namen angesprochen sondern immer mit einer Nummer, zum Beispiel Nummer 15 aus Gruppe sechs. Über diese ganze Geschichte gibt es ein Buch mit dem Namen „Kind 95“.

 


 


 






Unser erstes Ziel war der Fleischmarkt. Das ist mitten in Katutura und er sieht so ähnlich aus, wie die Märkte in Asien. Fleisch wird ohne Kühlung verarbeitet und überall gibt es Schmutz und Fliegen. Der wichtige Punkt hier ist aber das zubereitete Fleisch.

 
Mopani Würmer, unzubereitet



Wir sind zu einem der Stände hingegangen und Monika hat Kapana bestellt. Das sind kleine Fleischstücke aus Rindfleisch, die gebraten werden, und die in verschiedene Gewürze getaucht werden. Dazu wird gerne ein Tomatensalat gegessen, der ebenfalls unheimlich lecker ist!


Aus beiden Schälchen haben wir vier dann mit den Fingern gegessen. Etwas ungewöhnlich aber wirklich sehr sehr lecker.


Monica berichtet mir, dass die Armut, die Arbeitslosigkeit und der Alkohol ein Riesenproblem darstellen. Hier in Katutura gibt es unzählige illegale Kneipen und es wird den ganzen Tag getrunken. Wir fahren eine Straße entlang, wo fast in jeder Wellblechbude eine Art Kneipe ist. Diese Kneipen haben 24 Stunden am Tag auf und sieben Tage die Woche geöffnet.


Wir gehen weiter über den Markt und neben den Fleischgeschäften sieht man auch viele andere Gewerbe, darunter auch Friseure Nagelstudios und viele Gewürzhändler. Bei den Gewürzen finde ich auch die Mopani Würmer.

Hier sind sie getrocknet, aber sie werden dann später in Öl gebacken und gegessen. 

 
Textilien aus Kleidersammlungen werden hier verkauft
 


In einer anderen Ecke werden Schuhe verkauft. Es sind handgefertigte Schuhe die es hier für 500 $ (25€) gibt. Weiterhin erfahre ich, dass es hier ein bedingungsloses Grundeinkommen für Menschen über 60 gibt. Egal ob die gearbeitet haben oder nicht, jeder bekommt 1200 $ im Monat. Zum Vergleich eine Wellblechhütte in diesem Township kostet 500 $.


Wir fahren dann noch zu einem afrikanischen Restaurant, von denen es nicht so viele hier gibt. Es gibt teilweise Streetfood oder aber weiße Restaurants. Im oberen Geschoss ist ein Schulungszentrum, wo sich Namibianer touristisch ausbilden lassen. 

 




In dem Restaurant stehen unter anderem auch die Würmer auf der Speisekarte. Wir fahren dann mit dem sehr kleinen Wagen eine abenteuerliche Holperstrecke und müssen dann auch noch durch eine riesige Pfütze. Einer der beiden Männer steigt aus und durchwatet die Pfütze und sucht nach der flachsten Stelle. Und dann fährt der wahnsinnige Fahrer tatsächlich dadurch. 

 




Wir kommen zu einem Sozialprojekt, wo überwiegend Aidskranke Frauen unterkommen, die hier in Handarbeit ausgebildet werden und Souvenirs herstellen oder verschiedene Dinge nähen. Es ist eine richtige kleine Fabrik und scheint auch sehr erfolgreich zu sein. Dann fahren wir in einen Teil von Katutura, der Akahana heißt. 


Das ist ein Wort aus der Herero Sprache und bedeutet schnell machen. Das bezieht sich im Wesentlichen auf die Hütten die hier gebaut worden sind und ich erfahre, dass das hier die Heimat der beiden Männer ist. 

 


 





Wir gehen zwischen den Hütten durch und die Leute schauen uns alle nach. Monica ist hier bekannt und die beiden Männer sowieso, so dass das kein Problem darstellt. Wir kommen zu dem Haus der beiden Cousins und das ist wirklich schlimmer, als man es sich vorstellt. 

 






Eine wackelige Wellblechhütte mit gestampfte Boden und einer kleinen schmutzigen Ecke mit einem Kocher. 


Strom Wasser oder etwas ähnliches sucht man hier vergebens. Es gibt zwei provisorische Türen, die jeweils in das Schlafzimmer der beiden Männer führen, aber die wollen sie nicht zeigen. Wir sind hier relativ hoch, so dass es im Winter auch sehr kalt werden kann, aber Heizungen gibt es generell nicht. Das bedeutet also, dass die Menschen hier im Winter frieren und im Sommer schwitzen. 

 


 





Direkt neben dem Haus, vor einem anderen Haus, sitzen ein paar Leute und Monika spricht mit ihm. Die Leute haben große Becher vor sich, von denen jeder sicherlich 1 l fasst. Sie erklärt mir, dass das ein alkoholisches Getränk auf Hirsebasis ist. Und sofort winken die Leute uns heran und wir müssen mit trinken. Die Männer und Frauen haben schon leicht einen sitzen, obwohl es vielleicht gerade mal Mittag ist und so sitzen wir da und trinken ein wenig von dem Hirsewein mit. Danach fahren wir noch in die Stammkneipe von Monikas Familie. Das ist ein sozialer Treffpunkt, wo man sich regelmäßig trifft und bei einem Bier des Tagesgeschehen diskutiert. Ich werde den einzelnen Familienmitgliedern vorgestellt und muss dann ein Bier ausgeben. Schlimmer ist allerdings, dass ich mittrinken muss. Aber Monika hilft mir dabei. 




Dann ist die sehr spannende Tour vorbei und wir fahren wieder in Richtung meiner Unterkunft. Unterwegs im Stau sind viele Männer, die zwischen den warten Autos irgendwelche Sachen verkaufen. Das sind illegal eingewanderte Flüchtlinge aus Angola, die man auch schon mal deportiert hatte, die aber einfach immer wiederkommen um hier etwas Geld zu verdienen.


Es war eine interessante und auch teilweise schreckliche Runde und ich weiß nicht was ich spannender fand: die Geschichten und Bilder aus dem Slum oder das, was mir Monica über ihr eigenes Schicksal erzählt hat. Ich glaube nicht, dass wir wirklich wissen, wie gut es uns geht.


Nach einer kurzen Pause habe ich mich dann wieder auf den Weg gemacht. Man muss den Tag nutzen. Ich laufe in Richtung Innenstadt!

 






Ich komme an einem kleinen Friedhof vorbei, auf dem wohl auch Kriegsgräber aus dem Commonwelth sind. Es sind aber auch sehr viele Gräber von Deutschen hier. 

Es ist ein seltsamer Ort, all die deutschen Namen die meisten sind 1918 gestorben. Diese deutsche Präsenz in Namibia erstaunt mich immer wieder.


Kurz drauf kam ich am Nationalmuseum vorbei, von dem ich wusste, dass es zu hatte, aber ich sah einen Mann hinein gehen. Ich fragte ihn, ob es zu sein und er bestätigt es. Aber er meinte, dass gegenüber das Unabhängigkeitsmuseum auf habe. 


Ich ging dahin und ein junger Mann mit einer gelben Weste kam mir entgegen. Er erklärte mir, dass das Museum geschlossen sei. Aber direkt nebenan sei das alte Fort, und wenn ich wolle, würde er es mir zeigen. 


Ich willigte ein und so gingen wir zu dem alten, verfallenen deutschen Fort. Es ist dadurch bekannt, dass vor dem Gebäude ein Reiterstandbild mit einem stolzen deutschen Soldaten gestanden hat. Das aber hat die Leute in Windhuk in der neueren Geschichte sehr gestört, deshalb wurde es abgebaut und in das Fort hineingebracht. 

 


 





Der junge Wachmann machte tatsächlich die Türen auf und wir konnten in den Innenhof gelangen. Dort waren außer dem Standbild neben ein paar alten Wagen und ein paar Inschriften aber keine interessanten Dinge mehr zu sehen. Aber so konnte ich wenigstens ein bisschen was von Windhuks Geschichte sehen.


Interessant war auch, dass er erzählte, dass sein Vater aus Damara komme und seine Mutter einen Nama sei. Man könne die beiden leicht auseinanderhalten, weil die Nama dunkler sind und er sei halt eine Mischung aus den beiden, nicht ganz dunkel, nicht ganz hell. Naja, für mich sehen Sie doch ein bisschen gleich aus. 




Wenig später stand ich vor einer gigantischen Einkaufssmall mit genauso großen Parkhäusern. Man fährt hier gerne auch sehr große Autos. Es gibt viel Sicherheitspersonal und an einem Eingang bekam ich auch mit, dass es Ärger mit ein paar Jugendlichen gab. Es war kurz vor einer Schlägerei und ich dachte, dass ich davon kam.

Innen drinnen sind alle Mal hier gleich wie bei uns. Lebensmittel, Mode, Handy-Geschäfte Schuhläden, Eisdielen…

 




Im Zentrum war dann auch noch die stolze Präsentation von ein paar Meteoriten, die zwar hier nicht heruntergekommen sind, sondern aus 150 km Entfernung hierher transportiert worden.


Mittlerweile war es fast 5:00 Uhr nachmittags, ziemlich heiß und meine Füße hatten auch genug getan.


Zum Abendessen bin ich dann in Jo‘s Bierhaus gefahren. Ich hatte hin und her überlegt, wo ich meinen letzten Abend hier in Windhuk verbringe. 




Aber dann wollte ich mir diese legendäre Kneipe doch einmal ansehen. Es ist eine rustikale deutsche Kneipe mit harten Biertischen und einer Unmenge von Dekoration, wobei die zu ungefähr 15 % aus Jägermeister Flaschen besteht. 


Die Speisekarte ist sehr umfassend und man kann neben den typischen bayerischen Gerichten mit Sauerkraut auch Pizzen bestellen und es gibt auch mehrere Wildgerichte. 


Ich habe mich für das Namib Trio entschieden. Das sind drei Steaks vom Kudu, vom Springbock und vom Zebra. Die Bedienung war freundlich und schnell und nicht nur das Bier kam sehr zügig, sondern auch ein sehr großes Foto von meinem Essen mit einer entsprechenden Legende, wo ich welches Steak finden werde. Das war nun wirklich eine geniale Idee. 




Die Zubereitung dauerte auch nicht lange und schon hatte ich neben dem Foto auch das Original vor mir auf dem Tisch. Alle drei Steaks haben sehr lecker geschmeckt. Vielleicht war das Zebra etwas zäh, aber das kann auch an dem Zebra liegen. Insgesamt war ich sehr zufrieden.


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