Eine lange Geschichte: (Oster)Sonntag 31.3.2024 Otjiwarongo nach Okaukuejo
Um die Story von gestern zu beenden: 3/4 Stunden später kamen 2 nette Leute vom Reifendienst und tauschten die alten gegen die neuen Reifen. Das ging ruck-zuck und nach 15 Minuten waren die wieder weg. Ich hatte in der Zwischenzeit (kalt) geduscht und sah jetzt auch nicht mehr so schlimm aus.
Ich stehe mit dem Bobo neben dem Restaurant und kann und darf das Wifi nutzen, das aber im Restaurant am besten ist. Ich könne mich da ruhig hinsetzen, hatte der Besitzer gesagt.
Das hatte ich auch getan, und als ich zum Auto wollte, war da ein Tor, das verschlossen war. Ich hätte drüber klettern können, aber dann sah ich, dass da nur ein Riegel war und so kam ich schnell raus.
Dann fing ich an, zu kochen. Im Dach ist ein Lüfter eingebaut, der aber nicht lief. Ich war nicht sicher, ob das Dach auf war (man kann das schlecht sehen), deshalb ging ich kurz raus, um das von außen zu kontrollieren.
Ich war keine 2 m von der Türe entfernt, als 2 große Hunde laut bellend auf mich zu gerannt kamen.
Schnell wie ein (71jähriger) Blitz sprang ich ins Auto zurück und verfehlte die Stufe. Ich fiel fast hin, konnte mich aber mit meinem Schienbein noch an der scharfen Metallkante der Stufe abstützen.
Aber ich schaffte es ins Auto und konnte die Türe gerade noch hinter mir zuziehen.
Das Schienbein tat tierisch weh und ich musste mich erst mal setzen. So verharrte ich eine Minute und wartete, dass der Schmerz nachließ. Dann stand ich auf und ging ein paar Schritte hin und her. Alles ok.
Nur der Fuß im Schuh fühlte sich komisch an. Ich blickte hinunter und sah die Blutspur, die munter in meinen Schuh lief. Mist!
Und dann sah ich auch, dass überall auf dem Boden Blut war und ich da natürlich die ganze Zeit durchlatschte. Sch….
Ich kochte erst mal weiter, aber das Bein hörte nicht auf. Ich suchte vorsichtig, wo nur Blut und wo die Wunde war. Da es da geschwollen war, war das leicht zu finden. Ein Pflaster sollte erst mal für Ruhe Sorgen und dann zerriss ich noch ein altes T-Shirt und machte so einen „Druckverband für Arme“.
Und dann wurde es besser!
Irgendwie hatte ich keine Lust mehr, zu essen. Ich entsorgte das Nudelgericht und aß nur den Salat. Mit Bier! Schließlich hatte ich Geburtstag.
Dann räumte ich auf und machte mich an den Boden. Für‘s erste sah es danach ganz gut aus, ich werde da morgen aber noch mal ranmüssen.
Tja, so besehen war es ein Tag mit Pleiten, Pech und Pannen, aber da waren auch noch Niki und Rosalinda, das nette Pärchen hier in Otjiwarongo und auch noch ein paar nette Leute in Karibib. Und mir ist trotz der Reifenplatzer nichts passiert!
Dachte ich.
Das Bein hörte nicht auf, weh zu tun und was schlimmer war: es hörte auch nicht auf, zu bluten. Ich umwickelte das Bein mit Klopapier, dann noch mit Stücken meines alten T-Shirts und das Ganze dann noch mit der Wäscheleine, um den Verband zu stabilisieren.
Ich legte mich auf das Bett, die Beine ab den Knien im Freien.
Die Mücken freuten sich und weckten mich auf.
Mückenspray drauf und wieder versuchen, zu schlafen.
1 Stunde später fing es an zu regnen. Aufstehen, Dach zumachen und Verband neu wickeln.
Es war keine schöne Nacht.
Morgens früh schaute ich mir das Desaster an. Das Klopapier war durchfeuchtet, aber es schien aufgehört zu haben.
Aber als ich stand, um mir die Zähne zu putzen, fühlte ich es am Bein hinunterlaufen.
Shit!
Es blieb mir nichts anderes übrig: ich musste zu einem Arzt. Ostern!
Das Krankenhaus war ein Krankenhaus, wie man sich das vielleicht in Afrika vorstellt. Alles war alt und sehr einfach und es war auch insgesamt sehr offen. Die einzelnen Behandlungskabinen waren einfach einzusehen.
Sehr interessant waren die Leute, die hier waren. Bis auf ein oder zwei Männer waren es alles Frauen. Manche davon in „Zivil“, und manche ganz offensichtlich in ihrer Stammestracht. Das finde ich sehr faszinierend.
Vor allem zwei junge, sehr hübsche Frauen waren da, beide hatten Armreifen und viele Ringe an den Fußfesseln. Dazu ein sehr geschmackvolles buntes Gewand und eine sehr aufwändige Frisur.
Diese Frauen zu beschreiben, ist nicht einfach. Eleganz trifft es nicht. Mir fehlen da echt die Worte. Es ist dieses Gesamtbild, was die Frauen vermitteln. Das ist unheimlich schön. Es ist nicht diese Fick-mich-tot-Schönheit von den Influencerinnen auf den sozialen Medien mit ihren gemachten Brüsten, gemachten Hintern und gemachten Lippen. Es ist anders und in so einer Gesamtheit hab ich das auch noch nie gesehen.
Das war bildhübsch und ganz sicher nicht für Touristen (hier gibt es kaum Touristen) sondern das ist ganz normal das, was die Leute vielleicht auch zu Ostern anziehen.
Auch später im Supermarkt habe ich Frauen gesehen, darunter auch ältere, die in ihren bunten Gewändern eine ganz eigentümliche Wirkung auf mich hatten. Die Herero meine ich, an den Hüten mittlerweile erkennen zu können. Toll!
Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde ich gut behandelt.
Der erste Witz war der mit dem Heft. Ich wurde, als ich ankam, gefragt, ob ich ein Heft habe. Ich wusste überhaupt gar nicht, wovon die reden aber dann zeigte sie mir so eine Kladde, wie Kinder die in der Schule benutzen, mit Linien. Ich solle gegenüber in den Shop gehen und mir da so eine Kladde kaufen.
Ich schaute nach diesem Shop, aber der machte erst in 1 Stunde auf, das schien mir nicht sinnvoll. Also ging ich zu meinem Wagen und holte ein altes Notizbuch, das allerdings auch schon zu 75 % voll geschrieben war. Ich zeigte es denen, und die nickten, machten einen Stempel hinein und schrieben etwas und gaben mir das Buch zurück.
Es war ein Eingangsstempel mit Datum und Uhrzeit. Dann saß ich da zwischen Frauen mit weinenden Kindern und fragte mich, wie es wohl weitergeht. Ein Mann (nicht im Kittel, sondern mit Jeans und Hemd) kam zu mir, fragte mich, was sei und wie das passiert sei. Ich gab Auskunft, und er bedeutete mir, dass ich ihm folgen sollte. Er nahm einen Stuhl und setzte ihn ganz nach vorne vor alle Wartenden.
Nach 10 Minuten rief mich eine Schwester und bat mich, ihr zu folgen. Wir gingen in eine von den Behandlungsnischen, und dort erzählte ich wieder meine Geschichte. Sie nahm mir Blut ab und prüfte meinen Blutdruck. Dann gab sie mir eine Spritze gegen Entzündungen.
Während der Behandlung hatte die Schwester nach meinem Alter gefragt, und als ich 71 sagte, meinte sie, für das Alter würde ich noch sehr gut aussehen.
Ein schöner Tag!
Dann erkundigt sich noch nach meinen Tattoos, fand das auch interessant und sagte, dass sie auch gerne reisen würde. Es tat mir leid, dass sich dieser Wunsch für Sie wahrscheinlich nie erfüllen wird.
Danach musste ich wieder warten. Aber in dieser neuen Schlange wurde ich auch wieder von dem selben Mann priorisiert, wie vorher.
Dann holte mich eine Schwester ins Behandlungszimmer und mischte eine beunruhigend große Menge von Jod mit einer anderen Flüssigkeit. Dann nahm man mir mein Pflaster ab und fing an, so ziemlich die gesamte Menge von diesem Jodgemisch auf der Wunde zu verteilen. Es brannte furchtbar!
Dann fing sie an, mit dem Finger in der Wunde herum zu wischen, auch das fand ich nicht wirklich angenehm. Sie machte ihre Arbeit sehr gründlich und wusch, danach noch alles mit Jod ab. Sie sagte, man könne das leider nicht mehr nähen, weil es zu spät sei. Wenn ich gestern Abend gekommen wäre, hätte man es nähen können. So aber muss die Wunde eben offen verheilen.
Nachdem alles schön sauber war und noch ein bisschen mit Jod nachgeholfen wurde, kam ein Verband drauf, und man entließ mich mit Antibiotika und mit Schmerztabletten. Das war dann mein Besuch in diesem Krankenhaus mit rostigen Liegen, mit Polstern, wo der Schaumstoff rausquoll und mit einem Personal, die sich trotzdem bemühen, irgendwie den Leuten zu helfen.
Also kann ich auf meiner Bucket-Liste den Eintrag: „mal in einem namibische Krankenhaus auf Behandlung warten“ auch abhaken. Läuft bei mir!
Danach ging es zurück zu der Krokodilfarm. Ich bin heute Morgen früh weggefahren, und meine Gastgeber waren noch nicht da. Ich wollte mich aber trotzdem verabschieden, denn dafür, dass ich da auf der Treppe daneben getreten habe, können die ja nichts. Ich traf Dieter und er sah natürlich den Verband und ich erzählte ihm die Geschichte.
Es tat ihm fürchterlich leid, und er meinte, die Hunde seien eigentlich harmlos. Ist klar, die wollen immer nur spielen! Ich möchte den sehen, der ruhig bleibt, wenn im Dunkeln 2 große Hunde bellend auf ihn zugerannt kommen.
Dann lud er mich auf einen Cappuccino ein und wir haben uns noch lange unterhalten. Er ist seit 2009 an dem Ort und hat die Krokodilfarm gekauft. Neben der Krokodilfarm hat er halt Apartments gebaut und das Restaurant und lebt so von den Touristen, aber auch von den Krokodilen. Er züchtet jedes Jahr circa 600 Krokodile, die dann gegessen werden und deren Leder verkauft wird.
Die Krokodile sind hier gar nicht heimisch, sondern kommen aus Botswana.
Dieters Großeltern sind damals eingewandert, sein Vater ist aus Köln und seine Mutter aus Stuttgart. Dabei waren noch zwei Geschwister seines Vaters, einer aus Hamburg und einer aus München. Eine bunte Truppe. Und während meine Eltern nichts mit den Vorkommen im dritten Reich zu tun gehabt haben, haben die seinen natürlich auch nichts mit dem Mord an den Herero und Nama zu tun gehabt . Eine verrückte Welt. Aber ein sehr sympathischer Typ, sehr freundlich, sehr hilfsbereit. Er sagte dann auch, ich solle auf keinen Fall etwas bezahlen. Das wäre so völlig in Ordnung. Auch nett!
Nachdem das alles abgeschlossen war, bin ich losgefahren und habe erst mal getankt und die Reifen auf den richtigen Luftdruck gebracht. Und dann bin ich Richtung Norden gefahren!
Um mich herum ist alles ziemlich grün. Nach wie vor begleiten mich die riesigen Termitenhügel und links und rechts stehen auch Pflanzen, die irgendwo so zwischen großem Busch und Baum anzusiedeln sind.
Einmal habe ich eine größere Herde Springböcke gesehen, ansonsten sind hier ganz nah an dieser wichtigen Straße auch viele Herden mit Kühen, die ihr grasen. Da muss man sich vielleicht über Unfälle nicht wundern. Die Straße ist wie immer schnurgerade, und der Himmel mit Schäfchenwolken übersät.
In Outjo habe ich dann angehalten und die Radmuttern nachgezogen. Es war gegenüber von einem Supermarkt und einer Bank. Vor der Bank standen unheimlich viele Leute, ich denke, dass sie irgendwie ihren Monatscheck da einlösen wollten. Ich hätte mir auch gerne noch in den Supermarkt ein paar Äpfel geholt, aber die Leute sahen nicht so sehr vertrauenserweckend aus. Ich bin dann 300 m weiter gefahren da sah ich auf der rechten Seite einen Bankautomaten. Da ich auch noch Bargeld brauchte, fuhr ich rechts rüber (also falsch herum zu Verkehrsrichtung), um da Geld abzuheben.
Der Wachmann, der davor stand, schüttelte den Kopf. Er sagte etwas, was ich nicht verstand, aber er zeigte auf das Auto, und in dem, was er sagte, kam das Wort Ticket vor.
Okay, das war die Sprache, die ich verstand. Also packte ich brav mein Auto auf der anderen Seite und zog mir etwas Geld. Auf den Straßen liefen auffallend viele barbusigen Frauen her, das hier scheint wohl das wirkliche Namibia zu sein.
Auf diese Straße führt wieder Spur gerade in Richtung Etosha. Rechts und links ist Steppengras in dem Steppengras sind unzählige Termitenhügel in einer Dichte, wie wir sie von Maulwurfhügel kennen.
Je näher ich Etosha komme, umso wärmer wird es. Habe ich mir da vielleicht die falsche Jahreszeit ausgesucht? Aber das lässt sich nicht mehr ändern, ich freue mich trotzdem drauf.
Kurz nach 14:00 Uhr habe ich dann die Camp Grenze überschritten und fuhr in das Gebiet hinein. Es war immer noch sehr warm und die Straße, die mich zum ersten Bezahlpunkt und zum offiziellen Eingang des Parks führen sollte, war auch noch sehr sehr gut. Wie ich gehört habe, sollen die Straßen im Park sehr schlecht sein vor allem mit diesem Wellenmuster in der Straße.
Als ich gerade noch getankt hatte, habe ich mit einem anderen Touristen gesprochen, der mit einem völlig verschmutzten Auto zurückkam. Der sagte, dass gestern nach dem Regen sehr viel Wasser auf der Straße gewesen sei, dass man da spannende Wasserdurchfahrten gehabt hätte. Nichts, worauf ich wirklich scharf bin!
Während es bisher auf der Schnellstraße immer rechts und links endlose Zäune gab, sind die Zäune jetzt hinter mir. Ich bin im Park.
17 km weiter begann der offizielle Teil. Erst war ich bei einer sagenhaft unfreundlichen Touristinformation, wo ich die Parkgebühr entrichten musste.
Hier stellte sich heraus, dass mein Camp nicht im Park ist, sondern direkt vor dem Park. Eigentlich wollte ich heute nicht in den Park fahren, sondern erst morgen, aber jetzt war ich hier und musste diesen Tag auch bezahlen. So nahm ich mir vor, wenigstens zu der zentralen Etosha-Pfanne (das ist die Salzpfanne) zu fahren.
Leider stellte sich nach 10 Sekunden heraus, dass Dieter mit seiner Aussage über die schlechten Straßen hier recht gehabt hat.
Oder anders gesagt: er hat maßlos untertrieben. Nach meinem Dafürhalten sind das wirklich die schlechtesten Straßen in ganz Namibia.
Es sind nicht so sehr die Schlaglöcher, es ist dieses Wellenmuster, das Ultrabrutal ist . Ich schätze die einzelnen Wellen sind bis zu acht oder 9 cm hoch und entsprechend kurz hintereinander. Wenn man darüber fährt, hat man Angst, dass der Wagen pulverisiert wird.
Vor allem bei meinem Wagen mit der großen Resonanztrommel hinten ist das sehr, sehr furchtbar. Dazu kommt, dass der Wagen in seiner Spur auch instabil wird, wenn man über dieses Wellblech fährt. Er springt dann leicht (unkontrollierbar) nach rechts und links. Langsam fahren bringt aber auch nichts, weil dann die Plomben noch viel schneller aus dem Mund fallen.
An der Abbiegung zur Pfanne wurde die Straße etwas besser, aber dann kamen große Pfützen, die man auch nicht mehr umfahren konnte, sondern durch die man durch musste. Nun war ich auf der Strecke komplett alleine, so dass ich auch keinen vor mir hatte, bei dem ich checken konnte, wie tief das wohl sein mag.
Eigentlich ist es schön hier, das Gelände ist flach und man kann bis zum Horizont sehen. Ich komme an mehreren Herden von Springböcken vorbei und sehe tatsächlich auch Giraffen.
Das motiviert natürlich, aber als ich dann noch mal 2 - 3 km gefahren bin, habe ich beschlossen, dass das hier nicht mein Ding ist . Der Park ist sicherlich überwältigend, aber die Straßen sind so grottenschlecht, dass das für mich als Selbstfahrer mit dem Camper nicht infrage kommt. Ich beschloss, daher, den Park wieder zu verlassen und zu meinem gebuchten Camp zu fahren. Und ich bin nicht sicher, ob ich morgen hierher zurückkehre.
Schade.
Die nächste Überraschung kam dann an der Parkgrenze. Ich musste beim Verlassen meine Papiere vorzeigen und eine der Kontrolleurrinnen wollte gerne mal einen Blick in das Wohnmobil werfen. Mir schwante Fürchterliches! Und so kam es auch. Sie wollte den Kühlschrank sehen.
In der Sekunde war mir eingefallen, dass man seltsamerweise Nach Etosha Fleisch hinein bringen darf aber nicht hinaus.
Kein Fleisch aus Etosha hinaus, weil die Leute Angst vor Wilderern haben. Einzige Ausnahme: zubereitetes Fleisch. Und so schaute sie siegessicher auf die Packung mit den zwei Koteletts und stellte mich vor die Wahl: entweder entsorgen oder kochen.
Ich entschied mich für zweites, scherte kurz aus der Schlange der Wartenden aus und stellte mich an die Seite und kochte beziehungsweise briet bei 32° im Schatten meine Koteletts. Naja, so schlimm war das eigentlich auch nicht. Hab ich das schon mal fertig!
Jetzt bin ich in meinem Camp und hole ein wenig meine Geburtstagsfeier nach!
Ein außergewöhnliches Erlebnis.
AntwortenLöschenProst für deine Mut!
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